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Japans Premierminister Shinzō Abe (2014)

Der Begriff Abenomics (jap. アベノミクス Abenomikusu; in Analogie zu Reaganomics) ist ein Kofferwort zusammengesetzt aus „Abe“ (Nachname eines ehemaligen japanischen Premierministers) und „economics“ (englisch für Volkswirtschaft) und benennt Shinzō Abes im Januar 2013 begonnene Politik. Die zweite und dritte Regierung Abe unternahm seit ihrem Amtsantritt den Versuch, mithilfe von Konjunkturprogrammen, einer enormen Geldschwemme und tiefgreifenden Deregulierungen Japans Wirtschaftskrise zu durchbrechen. Das Land erlebt seit 1990, ausgelöst durch das Platzen der Blasenwirtschaft am Aktien- und Immobilienmarkt, im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor durchgehend niedrigere Wachstumsraten. Ob deflationistische Tendenzen eine Ursache (oder Hauptursache) dieser Drosselung sind, war und ist umstritten.

Wahlkampf und Koalitionsbildung 2012

Am 16. Dezember 2012 hatte die Liberaldemokratische Partei (LDP) bei der Shūgiin-Wahl 2012 die Mehrheit im Shūgiin (Parlamentarisches Unterhaus) gewonnen und bildete eine Regierungskoalition mit der Kōmeitō. Abe hatte somit den nötigen parlamentarischen Rückhalt, um wesentliche Elemente seiner Wahlkampfversprechen einzulösen. Abe wurde am 26. Dezember[1] von beiden Kammern des Parlaments zum Premierminister gewählt; er und das Kabinett wurden noch am gleichen Tag von Kaiser Akihito ernannt.[2][3] Bereits auf der konstitutionellen Kabinettssitzung wurde Haruhiko Kuroda – ein Ökonom, welcher durch Forderungen nach einer Politik des billigen Geldes landesweit Aufsehen erregte – zum neuen Notenbankchef und somit zum geldpolitischen Architekten der Reformpolitik ernannt.[4][5]

Die drei Säulen der Abenomics

Die Strategie basiert auf drei Säulen:[6][7]

1. Weiter anhaltende Geldschwemme

Seit Zusammenbruch von Lehman Brothers steigerte die japanische Zentralbank das Geldvolumen um annähernd 600 %. Zum Vergleich: Die US-Notenbank FED ließ das Dollar-Volumen im gleichen Zeitraum um über 400 % anschwellen;[8] die EZB das Euro-Volumen lediglich um ca. 25 %. Während die FED allerdings ihre Anleihenkäufe, also ihre Politik des „Gelddruckens“ – genannt Quantitative Easing – schon seit Anfang 2014 zurückzufahren begann, weitet die japanische Zentralbank diese aus, vor allem um eine Inflationsrate oberhalb der 2-Prozent-Marke zu bewirken.

2. Kreditfinanzierte Konjunkturprogramme

Eine Art Schuldengrenze wurde eigens hierfür „flexibel“ erklärt, um „zweistellige“ Haushaltsdefizite möglich zu machen. Im Haushalt 2014 etwa beträgt das Defizit voraussichtlich über 10 % gemessen am Bruttoinlandsprodukt.

3. Reformen und Deregulierungen

Die Gesellschaft, das Rechtssystem sowie der Arbeitsmarkt sollen umfänglich in eine wirtschaftsfreundliche Richtung reformiert werden. Als eine exemplarische Zielgröße gilt die Erhöhung der Produktivität der Gesellschaft durch eine signifikant höhere Erwerbsquote von Frauen. Die Renten sollen – ebenso wie die direkten Steuern – gesenkt werden; die indirekten Steuern (vor allem die Mehrwertsteuer) sollen erhöht werden. Auch will die Regierung, anders als etwa die EU oder die USA, den Finanzsektor bzw. dessen Produkte deregulieren. Damit sollen Japan, seine Unternehmen und seine Finanzzentren für ausländische Investoren attraktiver werden.

Auswirkungen

Das Programm führte zeitweilig zu mehr Zuversicht in der japanischen Wirtschaft und Bevölkerung. Nach anfänglichen Höchstkursen brach der Nikkei 225 jedoch stark ein. Die Chancen und Risiken von Abenomics werden in der Gesellschaft und auch unter Wirtschafts- und Börsenexperten kontrovers diskutiert.[9][10] Ein finanzielles Überheben bis hin zum Staatsbankrott, dem Vertrauensverlust der Kapitalmärkte und damit einhergehend nachhaltige Kursabstürze und eine tiefe (globale) Wirtschaftskrise wird für möglich gehalten; für dieses Szenario prägte der UBS-Banker Alexander Friedman den Begriff Abegeddon (in Anspielung auf Armageddon).[11]

Kritik

Überschuldung

Zwar liegt die Staatsverschuldung Japans 2013/14 bei hohen 250 % von BIP, Finanzierungsprobleme liegen dennoch nicht vor.[12] Einerseits wird das Staatsdefizit (derzeit) vorwiegend von der japanischen Zentralbank (BoJ) finanziert, andererseits ist die Zinslast für beispielsweise zehnjährige Staatsanleihen gering (bei 0,6 %).[13] Um aus der deflationären Entwicklung zu entkommen, das Wirtschaftswachstum anzuregen, entschlossen sich Abe bzw. seine Partei zu einer als radikal geltenden expansiven Geld- und Fiskalpolitik (Deficit spending)[14] sowie zu einer Abwertung des Yen, um die Auslandsnachfrage anzukurbeln. Da Japan seit Fukushima 2011 allerdings vermehrt von (nun teureren) Energieimporten abhängig ist, haben die Unternehmen gleichzeitig höhere Produktionskosten.[15] Deflationsdämmende (notwendige) Lohnsteigerungen werden von den Unternehmen grundsätzlich kaum gegeben.[16][17]

Bundesbank zur Erhöhung der Mehrwertsteuer

Bereits im August 2013 äußerte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht offene Skepsis gegenüber der japanischen Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und an der für April 2014 geplanten und nunmehr eingeführten Mehrwertsteuererhöhung von 5 % auf 8 %. Diese Erhöhung könne zum Konsumeinbruch, damit zum Rückgang der Industrieproduktion führen und den langfristig abwärts gerichteten Trend gar noch verstärken.[18][19] In der Tat schrumpfte das BIP Japans wieder kräftig; im zweiten Quartal 2014 um minus 1,7 % (im Vergleich zum Vorquartal) und verglichen mit dem Vorjahresquartal um minus 6,8 %.[20][21] Bei der Shūgiin-Wahl 2014 konnte Abe seine Wirtschaftspolitik nochmals vom Volk bestätigen lassen.[17]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. FAZ.net 21. Juli 2013: Japans Ministerpräsident droht Widerstand aus eigener Partei (abgerufen am 9. Oktober 2014).
  2. Quantitative and Qualitative Monetary Easing. Bank of Japan, abgerufen am 17. Dezember 2014.
  3. BOJ Gov Kuroda: BOJ Easing Policy Not Targeting Exchange Rates In: The Wall Street Journal, 12. April 2013. Abgerufen am 17. Dezember 2014 
  4. Nikkei jumps to 53-month high as Kuroda seen likely next BOJ chief. Reuters, 24. Februar 2013, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Dezember 2014.@1@2Vorlage:Toter Link/www.reuters.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Wahlergebnis (Memento vom 29. Oktober 2008 im Internet Archive) auf der Webseite der LDP.
  6. Warum Abenomics scheitert – und was es für uns bedeutet, Daniel Stelter, manager-Magazin.de, 28. Februar 2014 (abgerufen am 9. Oktober 2014)
  7. Haidar, J.I. and Hoshi, T. (2014), Stanford University FSI Working Paper, June 2014.: Implementing Structural Reforms in Abenomics: How to Reduce the Cost of Doing Business in Japan (Memento des Originals vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/aparc.stanford.edu.
  8. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 4. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/de.reuters.com, 8. Mai 2014 (zuletzt abgerufen 11. Oktober 2014): Fed will aufgeblähte Bilanz binnen 8 Jahren normalisieren (Memento des Originals vom 18. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/de.reuters.com.
  9. Stärkeres Wachstum: Japans „Abenomics“ wirken im ersten Quartal bei spiegel.de, 10. Mai 2013 (abgerufen am 17. Juni 2013)
  10. An Tokios Börse brechen die Kurse ein – „Abenomics“ kommt ins Wanken bei wienerzeitung.at, 13. Juni 2013 (abgerufen am 17. Juni 2013).
  11. Bernhard Bartsch: Ruck nach rechts. In: Berliner Zeitung. 10. Juni 2013, abgerufen am 21. Juni 2013.
  12. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2011/12 (PDF; 5,4 MB), S. 93, Ziffer 144: „De facto besteht für diese drei Länder [US, UK, JP] somit grundsätzlich kein Liquiditätsproblem, da sie ausschließlich in ihrer Landeswährung verschuldet und aufgrund der Unterstützung durch die Notenbank in der Lage sind, das zur Rückzahlung erforderliche Geld uneingeschränkt selbst zu schaffen. Und es kann somit auch nicht die Situation eintreten, dass sich aus einem temporären Liquiditätsproblem allein aufgrund steigender Zinsen ein Solvenzproblem entwickelt.“
  13. The Wall Street Journal, 18. Juni 2014: Japan droht Opfer seiner erfolgreichen Geldpolitik zu werden.
  14. Nach Wahl zum Ministerpräsidenten: Macht Abe den japanischen Atomausstieg rückgängig? FAZ, 26. Dezember 2012 (abgerufen am 17. Juni 2013).
  15. DW, 10. März 2014: Japan wächst langsamer als gedacht.
  16. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht August 2013 (Memento des Originals vom 29. August 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundesbank.de (PDF), S. 19: „Ein Aussetzen der Lohn-Preis-Spirale ist somit ebenso ausgeschlossen wie ein Übergang zu galoppierenden Inflationsprozessen. Ob diese Bedingungen in der japanischen Realität erfüllt sind, ist keineswegs sicher. Fraglich ist einerseits, ob die notwendige Verstärkung des Lohnwachstums in Japan angesichts der eher geringen Gewerkschaftsmacht und des inzwischen recht hohen Anteils der Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen innerhalb weniger Jahre generiert werden kann.“
  17. a b Referenz zum gesamten Abschnitt „Kritik“: Handelsblatt, 19. November 2014: Rezession trotz Abenomics. Japans gescheitertes Geldexperiment., zuletzt abgerufen 28. Dezember 2014.
  18. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht August 2013 (Memento des Originals vom 29. August 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundesbank.de (PDF), S. 17: „Die Steuererhöhungspläne könnten im Falle eines schlagartigen Einbruchs von Konsum und Industrieproduktion die abwärts gerichtete Konjunktur verstärken.“
  19. Wirtschaftsblatt, 30. Juni 2014: Japan: Mühsame Erholung nach Mehrwertsteuer-Erhöhung (Memento vom 20. August 2014 im Internet Archive).
  20. Wirtschaftsblatt, 13. August 2014: Japan schmilzt die Wirtschaft weg (Memento vom 15. Oktober 2014 im Internet Archive)
  21. Focus Magazin, 15. September 2014: Es geht abwärts. Japan mit Premierminister Abe auf Kamikazekurs.