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Das Konzept Base (oder Bottom) of the Pyramid, abgekürzt BoP, bzw. Fuß der Pyramide beschreibt in der Managementliteratur Geschäftsmodelle und Ansätze zur erfolgreichen Einbindung bisher weitgehend vernachlässigter Bevölkerungsschichten in unternehmerische Wertschöpfungsketten. Als „Base of the Pyramid“ wird dabei zunächst der unterste Teil der Welteinkommenspyramide beschrieben. Diese „Ärmsten der Welt“ sollen im Rahmen der handlungsleitenden Elemente des BoP-Konzeptes in die unternehmerische Wertschöpfung als Kunden, Lieferanten, Distributeure o. ä. integriert werden. Grundgedanke ist, dass sich auf diese Weise die Verfolgung unternehmerischer Chancen zielgerecht mit dem Bemühen langfristiger Armutsbekämpfung verbinden lässt.

Ursprung des BoP-Konzepts und Abgrenzung als Bevölkerungssegment

Das BoP-Konzept wurde ursprünglich unter der Bezeichnung „Bottom of the Pyramid“ von Prahalad und Hart, die dieses Konzept in einem Arbeitspapier aus dem Jahr 1998 einführten, geprägt.[1] In der aktuellen Literatur ist der synonym verwendete Ausdruck „Base of the Pyramid“, welcher den Sinnzusammenhang der Pyramidenbasis besser kennzeichnet, jedoch weiter verbreitet.[2]
Die Abgrenzung dieser Basis ist je nach Quelle unterschiedlich. Gängig scheint mittlerweile die Abgrenzung nach Daten der Weltbank, anhand derer ein Zustand „extremer Armut“ bei einem verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen (gemessen in Kaufkraftparitäten) von bis zu 1,25 US-$ pro Tag und ein Zustand „moderater Armut“ bei einem Einkommen von 1,25 bis 2,5 US-$ definiert wird.[3] Die gesamte BoP umfasst damit mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung, manche Autoren sprechen sogar von mehr als 4 Milliarden an der BoP lebenden Menschen.[4] In diesem Zusammenhang wird z. T. auch ein wenig plakativ von „B24B (business-to-4-billion)“[5] gesprochen. Eine Abgrenzung anhand solcher „Armutsgrenzen“ unterliegt jedoch vielfältiger Kritik[6], so dass verschiedene Autoren vorschlagen, die BoP nicht über Einkommen (oder ähnliche monetäre Größen) abzugrenzen, sondern über spezifische Eigenschaften derartiger Märkte, insbesondere Subsistenz und Informalität[7].

Klassischer Ansatz: Die BoP als Absatzmarkt

Der ursprüngliche Prahalad-Ansatz fokussiert vor allem auf bisher ungenutzte Chancen an der BoP als Absatzmarkt. Entgegen weit verbreiteter Auffassung sei insgesamt ein unerwartet hohes Marktpotenzial an der BoP identifizierbar, welches gegenwärtig auf mehr als 5 Billionen US-$, gemessen in Kaufkraftparität geschätzt wird.[8] Trotz vorhandener Marktchancen befänden sich die Menschen an der BoP bislang weitestgehend außerhalb des globalen Marktsystems. Dies läge insbesondere an vorherrschenden Fehleinschätzungen vor allem in wohlhabenderen Teilen der Welt. Insbesondere die Annahme, dass es an der BoP nicht genügend Kaufkraft und damit keinen tragfähigen Markt gäbe, gilt es nach Einschätzung der genannten Autoren zu kontrastieren. Sie führen unter anderem an, dass die aggregierte Kaufkraft auch armer Gemeinden Geschäfte ermöglicht, die dem Einzelnen aufgrund eines zu geringen Einkommens verwehrt bleiben würden.[9]

Moderne Auslegung und Erweiterungen: Die BoP als Ressourcenpool

Moderne Interpretationen des BoP-Konzeptes sehen die BoP hingegen nicht nur als potenziellen Absatzmarkt am Ende einer Wertschöpfungskette, sondern als deren integrierten Teil mit eigenem Wertschöpfungspotenzial.[10] Gerade die Einkommensverbesserung durch Einbeziehung der BoP in verschiedene Wertschöpfungsstufen – und damit mittelbar auch die Schaffung weiterer Absatzmöglichkeiten – stehen bei diesen Ansätzen im Mittelpunkt der Überlegungen.[11] Es wird davon ausgegangen, dass durch die eingeschränkte Sichtweise einer ausschließlichen Betrachtung von Absatzmärkten betriebswirtschaftliche Chancen der BoP als Ressourcenpool unbeachtet bleiben. Im Fokus solcher echten integrativen Bemühungen – als „second-generation BoP strategy“, „BoP 2.0“[12] oder „integrative BoP“ bezeichnet[13] bezeichnet – stehen die zahlreichen, an der BoP stark vertretenen kleinen und mittleren Unternehmen, denen die Einbindung in globale Wertschöpfungsketten einen Anschluss an Absatzmärkte auch außerhalb ihrer ursprünglichen Geschäftsgebiete verspricht.[14]

Kritik am BoP-Konzept

Kritik am ursprünglichen BoP-Konzept bezieht sich häufig auf die Sicht des BoP als potenziellen Absatzmarkt; das Absatzpotenzial der Märkte an der BoP sei niedriger als berechnet.[15] Teilweise wird auch der qualitative Vorteil des Absatzes bestimmter Produkte wie zum Beispiel Tabakwaren und Alkohol für die Bevölkerung in Frage gestellt.[16] Auch die uneingeschränkte Verbreitung westlichen Konsumdenkens und westlicher Konsumstile könne negative Folgen sowohl für die BoP als auch für eine zukünftige nachhaltige Entwicklung haben.[17] Zudem wird bisweilen bezweifelt, ob privatwirtschaftliche Unternehmen alleine entscheidend zur Verbesserung der Situation der weltweit Ärmsten beitragen können und ob auf dem BoP-Konzept basierende Geschäftsmodelle nicht zumindest flankierende Anstrengungen weiterer Akteure (zum Beispiel staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Institutionen) benötigen.[18]

Weiterführende Überlegungen, konzeptionelle Ausweitungen und empirische Relevanz

Wesentlich erweitert wurde das BoP-Konzept durch die Berücksichtigung von Beschaffungsmärkten und Produktionstätigkeiten. Insbesondere die Kooperation mit weiteren Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit gerät zunehmend in den Blick von Wissenschaft und Unternehmenspraxis.[19] Die empirische Relevanz solcher Zusammenarbeitsformen wird in zahlreichen Fallstudien zu erfolgreichen BoP-Geschäftsmodellen belegt.[20][21]

Verschiedene Erörterungen verknüpfen explizit privatwirtschaftliche Bemühungen um Armutsbekämpfung im Rahmen von Überlegungen zu gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung (siehe auch Corporate Social Responsibility oder Corporate Citizenship) mit erfolgreichen geschäftlichen Bemühungen um die BoP.[22] Neuere Forschungsbemühungen gehen zudem der Frage nach, ob und wie solche Geschäftsmodelle entwicklungs- und nachhaltigkeitsfördernd sind, da z. B. die Annäherungen an den ressourcenintensiven westlichen Lebensstil die natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährden können.[23]

Ein verwandter wirtschaftswissenschaftlicher Ansatz findet sich in der Idee des Social Business. Während der BoP-Ansatz die Profitabilität entsprechender Geschäftsmodelle fokussiert, steht bei Social Business-Modellen die gesellschaftliche Zielsetzung (zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern) im Vordergrund. Die Zweckbestimmung liegt hier in der Lösung spezifischer gesellschaftlicher Probleme durch Reinvestition erzielter Gewinne.

Literatur

  • Boyer, N. (2003): The base of the pyramid (BOP) – Reperceiving business from the bottom up, Global Business Network Working Paper, Mai, o. O.
  • Brugmann, J.; Prahalad, C.K. (2007): Der gelungene Pakt zwischen Geld und Gewissen. In: Harvard Business Manager, Nr. 7, S. 82–97.
  • Chen, S.; Ravallion, M. (2008): The developing world is poorer than we thought, but no less successful in the fight against poverty, Policy Research Working Paper, Nr. 4703, Development Research Group, The World Bank, Washington/DC.
  • Davidson, D.K. (2008): When CSR meets BoP – Ethical concerns at the base of the pyramid. In: Kandachar, P.; Halme, M. (Hrsg.): Sustainability challenges and solutions at the base of the pyramid: Business, technology and the poor. Greenleaf Publishing, Sheffield 2008, S. 446–461. ISBN 978-1-906093-11-2
  • Gold, S.; Hahn, R.; Seuring, S. (2013): Sustainable supply chain management in “Base of the Pyramid” food projects — A path to triple bottom line approaches for multinationals? In: International Business Review, Bd. 22, Nr. 5, S. 784–799, doi:10.1016/j.ibusrev.2012.12.006
  • Hahn, R. (2008): Sustainable development at the BoP – On integrated approaches beyond trade-off-thinking. In: Kandachar, P.; Halme, M. (Hrsg.): Sustainability challenges and solutions at the base of the pyramid: Business, technology and the poor. Greenleaf Publishing, Sheffield 2008, S. 446–461. ISBN 978-1-906093-11-2
  • Hahn, R. (2009a): Multinationale Unternehmen und die 'Base of the Pyramid' – Neue Perspektiven von Corporate Citizenship und Nachhaltiger Entwicklung. Gabler, Wiesbaden. ISBN 978-3-8349-1643-3
  • Hahn, R. (2009b): The ethical rational of business for the poor – Integrating the concepts Bottom of the Pyramid, Sustainable Development, and Corporate Citizenship. In: Journal of Business Ethics, Bd. 84, Nr. 3, S. 313–324.
  • Hahn, R. (2009c): Das Konzept 'Base of the Pyramid': Integrative Geschäftsmodelle in Entwicklungsländern. In: WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 8, S. 402–406
  • Hahn, R. (2012): Inclusive Business, Human Rights and the Dignity of the Poor: A Glance beyond Economic Impacts of Adapted Business Models. In: Business Ethics – A European Review, Bd. 21, Nr. 1, S. 47–63. doi:10.1111/j.1467-8608.2011.01640.x
  • Hahn, R.; Grünschloß, C. (2008): CSR und der Ansatz 'Bottom of the Pyramid' – Gestaltungsmöglichkeiten eines Engagements westlicher Unternehmen im Segment 'Ärmste der Armen'. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.): Corporate Social Responsibility – Trend oder Modeerscheinung. Okeom, München. ISBN 978-3-86581-053-3
  • Hahn, R.; Wagner G.R. (2009): Menschenwürde und Unternehmensverpflichtung an der Base of the Pyramid (PDF; 253 kB). In: ZfWU Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, Bd. 10, Nr. 1, S. 86–105
  • Hammond, A.L.; Kramer, W.J.; Katz, R.S.; Tran, J.T. et al. (2007): The next 4 billion – Market size and business strategy at the base of the pyramid. World Resources Institute, Washington/DC. ISBN 1-56973-625-1
  • Hart, S.L. (2008): Foreword. In: Kandachar, P.; Halme, M. (Hrsg.): Sustainability challenges and solutions at the base of the pyramid – Business, technology and the poor. Greenleaf Publishing, Sheffield. ISBN 978-1-906093-11-2
  • Hart, S.L.; Christensen, C.M. (2002): The great leap – Driving innovation from the base of the pyramid. In: Sloan Management Review, Bd. 44, Nr. 1, S. 51–56.
  • Kandachar, P.; Halme, M. (2007): Introduction. In: Greener Management International, Nr. 51, S. 3–17.
  • Kandachar, P.; Halme, M. (Hrsg.) (2008): Sustainability challenges and solutions at the base of the pyramid – Business, technology and the poor. Greenleaf Publishing, Sheffield. ISBN 978-1-906093-11-2
  • Karnani, A. (2007a): Misfortune at the bottom of the pyramid. In: Greener Management International, Nr. 51, Juni, S. 99–110.
  • Karnani, A. (2007b): Romanticizing the poor harms the poor, Working Paper June 2007, Ross School of Business Working Paper Series, University of Michigan, Ann Arbor
  • Karnani, A. (2009): Romanticizing the poor. In: Stanford Social Innovation Review, Winter, S. 38–43.
  • Kirchgeorg, M.; Winn, M.I. (2006): Sustainability marketing for the poorest of the poor. In: Business Strategy and the Environment, Bd. 15, Nr. 3, S. 171–184.
  • Landrum, N.E. (2007): Advancing the Base of the Pyramid debate. In: Strategic Management Review, Bd. 1, Nr. 1 (Onlineausgabe).
  • Lorenz, T. (2012): Social Entrepreneurs at the Base of the Pyramid, Metropolis Verlag. ISBN 978-3-89518-922-7
  • Prahalad, C.K. (2005): The fortune at the bottom of the pyramid. Wharton School Publ., Upper Saddle River. ISBN 978-0-13-146750-7
  • Prahalad, C.K.; Hammond, A. (2008): Serving the world’s poor, profitably. In: Crane, A.; Matten, D.; Spence, L.J. (Hrsg.): Corporate social responsibility. Routledge, London et al., S. 461–474. ISBN 978-0-415-42428-8 (Wiederabdruck aus: Harvard Business Review 2002, Bd. 80, Nr. 9, September, S. 48–57).
  • Prahalad, C.K.; Hart, S.L. (2002): The fortune at the bottom of the pyramid. In: strategy + business, Bd. 8, Nr. 26, First Quarter, S. 54–67
  • Simanis, E.; Hart, S.L.; Duke, D. (2008): The base of the pyramid protocol – Beyond “Basic Needs” Business Strategies. In: Innovations: Technology, Governance, Globalization, Bd. 3, Nr. 1, S. 57–84
  • UNCTAD (2007): The least developed countries report 2007. UN, Genf. ISBN 978-92-1-112717-1
  • Wijen, F. (2008): The environmental (un)sustainability of the base-of-the-pyramid (BoP) philosophy. In: Kandachar, P.; Halme, M. (Hrsg.): Sustainability challenges and solutions at the base of the pyramid: Business, technology and the poor. Greenleaf Publishing, Sheffield 2008, S. 446–461. ISBN 978-1-906093-11-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hart, S.L. (2008), S. ix, und Prahalad, C.K.; Hart, S.L. (2002), S. 67.
  2. Siehe z. B. Hahn, R. (2009a, b, c), Hahn, R.; Wagner, G.R. (2009); Kandachar, P.; Halme, M. (2008), Hammond, A.L.; Kramer, W.J.; Katz, R.S.; Tran, J.T. et al. (2007), Landrum, N.E. (2007), Hart, S.L.; Christensen, C.M. (2002), Boyer, N. (2003) und andere.
  3. Siehe Chen, S.; Ravallion, M. (2008), S. und Hahn, R. (2009a), S. 16ff.
  4. Z.B. Prahalad, C.K. (2005), S. 4.
  5. Boyer, N. (2003), S. 2.
  6. vgl. im Überblick Hahn (2009a), S. 16–17.
  7. z. B. Lorenz, T. (2012); Hahn, R. (2009a), S. 87–91.
  8. Vgl. Hammond, A.L.; Kramer, W.J.; Katz, R.S.; Tran, J.T. et al. (2007), S. 13.
  9. Prahalad, C.K.; Hammond, A. (2008), S. 462, sowie Prahalad, C.K. (2005), S. 10–12. (Dort werden jeweils noch weitere, aus verzerrter Wahrnehmung resultierende Problemfelder aufgegriffen und widerlegt).
  10. Gold, R.; Hahn, R.; Seuring, S. (2013), Hahn, R. (2009a), S. 29ff.
  11. Gold, R.; Hahn, R.; Seuring, S. (2013).
  12. Simanis, E.; Hart, S.L.; Duke, D. (2008), S. 65.
  13. Hahn (2009b), S. 314.
  14. Gold, R.; Hahn, R.; Seuring, S. (2013), UNCTAD (2007), S. 20.
  15. Karnani, A. (2007a), S. 101.
  16. Vgl. Karnani, A. (2009), S. 41, Karnani, A. (2007b), S. 8ff.
  17. Kandachar, P.; Halme, M. (2007), S. 7, Kirchgeorg, M.; Winn, M.I. (2006), S. 172 u. 175, und Hahn, R. (2008).
  18. Hahn, R. (2009a), S. 242.
  19. Brugmann, J.; Prahalad, C.K. (2007) und Simanis, E.; Hart, S.L.; Duke, D. (2008).
  20. Case Studies. In: nextbillon.net. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Februar 2009; abgerufen am 9. November 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nextbillon.net
  21. growinginclusivemarkets.org: Growing Inclusive Markets - Case Studies (Memento vom 20. Februar 2009 im Internet Archive)
  22. Hahn, R. (2012, 2009a, b), Hahn, R.; Wagner, G. (2009), Davidson, D.K. (2008) und Hahn, R.; Grünschloß, C. (2008).
  23. Vgl. z. B. Gold, R.; Hahn, R.; Seuring, S. (2013), Hahn, R. (2009a), Hahn, R. (2008) oder Wijen, F. (2008).