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Rechtswidrigkeit ist allgemein der Verstoß eines Rechtssubjekts gegen das geltende Recht. Gegensatz ist die Rechtmäßigkeit.

Allgemeines

Nach § 11 StGB ist eine rechtswidrige Tat im Sinne des Strafgesetzbuches nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Ist sie nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt und vom Täter schuldhaft begangen worden, so kann sie bestraft werden. Im Zivilrecht kann die Widerrechtlichkeit einer Rechtsgutverletzung zum Schadensersatz verpflichten (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nennt man rechtswidrig, was im Widerspruch zu rechtlichen Geboten steht,[1] so kann rechtswidrig in diesem Sinne nur ein menschliches Tun oder Unterlassen sein, das an das Gebot geknüpft ist. So sind der Kausalablauf des Handelns und der dadurch ausgelöste Eintritt seines Erfolges selbst nicht verbietbar. Entgegen einer früher verbreiteten Lehre können Handlung bzw. Unterlassen und Erfolg nicht zu dem verbotenen und in diesem Sinne rechtswidrigen Geschehen gehören: Es gibt nur ein Handlungsunrecht (verbotenes Handeln, z. B., auf jemanden zu schießen), aber kein Erfolgsunrecht (kein verbietbares Ergebnis des Handelns, z. B., dass der andere getroffen wird und stirbt), wohl aber eine Erfolgsbezogenheit von Handlungsverboten (etwa das Verbot von Handlungen, die sich gegen fremdes Leben richten oder dieses gefährden).[1]

Gegenteil der Rechtswidrigkeit ist die Rechtmäßigkeit.

Strafrecht

Im Rahmen des dreigliedrigen Aufbaus des deutschen Strafrechts macht sich strafbar, wer einen Straftatbestands rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit gehen die kausale, finale und soziale Handlungslehre von unterschiedlichen Prämissen aus. In deren Folge verlangen sie entweder einen positiven Nachweis der Rechtswidrigkeit (veraltete Handlungslehre) oder sehen sie durch die Tatbestandsmäßigkeit bereits indiziert (h. M., modernere Finalitätslehre).

Wenn die Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert ist, gilt: Eine Handlung ist immer dann rechtswidrig, wenn sie gegen die Rechtsordnung verstößt (sogenannter „Unrechtstatbestand“), ohne dass sie durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt ist. Rechtfertigungsgründe sind beispielsweise: Notwehr (§ 32 StGB), der allgemeine rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) oder die Einwilligung (volenti non fit iniuria). Bei sogenannten offenen Straftatbeständen wie der Nötigung müssen neben der Erfüllung des Tatbestands und dem Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen weitere, besondere Voraussetzungen gegeben sein, damit die Handlung als rechtswidrig angesehen werden kann; beim Beispiel der der Nötigung die Verwerflichkeit.

Vom objektiv vorliegenden Rechtfertigungsgrund muss der Täter Kenntnis haben und willentlich aufgrund des Rechtfertigungsgrundes handeln, damit seine Entlastung gelingt. Fehlt das subjektive Rechtfertigungselement, ging die überkommene h. M. davon aus, dass aus dem vollendeten Delikt zu bestrafen ist. Nach neuerer und heute wohl herrschender Meinung entfällt der Erfolgsunwert der Tat bereits dann, wenn die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds vorliegen. Teils werden die Regeln zur Versuchsstrafbarkeit analog angewandt.[2]

Zivilrecht

Im deutschen Deliktsrecht ist nach der herrschenden Lehre vom Erfolgsunrecht durch das Herbeiführen einer Rechtsgut- oder einer Schutzgesetzverletzung die Rechtswidrigkeit der Handlung indiziert (§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Sie entfällt nur bei Eingreifen besonderer Rechtfertigungsgründe.[3][4]

Im schweizerischen Haftpflichtrecht bildet die Rechtswidrigkeit eines von vier Tatbestandsmerkmalen neben dem Schaden, dem Verschulden und dem Kausalzusammenhang zur Begründung der Verschuldenshaftung. Nach herrschender Lehre wird bei der Kausalhaftung die Rechtswidrigkeit vorausgesetzt. Die schweizerische Rechtsprechung stützt sich auf die Theorie der objektiven Rechtswidrigkeit. Entsteht eine Obligation durch unerlaubte Handlung, richtet sich die Haftung bei Notwehr, Notstand und Selbsthilfe nach Art. 52 OR.[5]

In den meisten Rechtsordnungen außerhalb des deutschen Rechtskreises wird nicht klar zwischen Rechtswidrigkeit und Verschulden unterschieden.[6]

Öffentliches Recht

Es wird zwischen formeller oder materieller Rechtswidrigkeit (beziehungsweise Rechtmäßigkeit) unterschieden. Von der formellen Rechtswidrigkeit spricht man bei einem Verstoß gegen formelles Recht, also Zuständigkeit, Verfahren oder Form. Materielle Rechtswidrigkeit ist ein Verstoß gegen materielles Recht, z. B. wenn der aufgrund einer Befugnisnorm erlassene Verwaltungsakt nicht den Erfordernissen der Befugnisnorm entspricht und/oder jemanden in subjektiven Rechten verletzt.

Für rechtswidrige Rechtsnormen ist umstritten, ob das Nichtigkeitsdogma oder ein Fehlerkalkül gilt.

Im deutschen Verwaltungsrecht kann der rechtswidrige Verwaltungsakt trotzdem wirksam und bei Eintreten der Bestandskraft unanfechtbar werden. Von Anfang an unwirksam sind nur nichtige Verwaltungsakte, vgl. § 43 Abs. 3 VwVfG (Fehlerkalkül). Nichtig ist ein Verwaltungsakt nur ausnahmsweise, vgl. § 44 VwVfG (→ Nichtigkeit des Verwaltungsakts, § 44 VwVfG).

Einzelnachweise

  1. a b Reinhold Zippelius: Recht und Gerechtigkeit in der offenen Gesellschaft. 2. Auflage. 1996, S. 356 f., 360 ff. (Originaltitel: Archiv für die civilistische Praxis. 1958.).
  2. Rechtslexikon: subjektive Rechtfertigungselemente
  3. Thomas Rüfner: Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB Universität Trier 2012, S. 9.
  4. Michael Becker: Einführung in das Deliktsrecht TU Dresden 2011, S. 3.
  5. Art. 52 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (Stand am 1. April 2020).
  6. G. Wagner: Kommentar zu §§ 823–838 BGB, in: Münchner Kommentar zum BGB, N 1 zu § 823.