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In der Logik gilt eine Menge von Aussagen als konsistent oder widerspruchsfrei, wenn aus ihr kein Widerspruch abgeleitet werden kann, also kein Ausdruck und zugleich dessen Negation. Da man mit inkonsistenten Aussagenmengen Beliebiges beweisen könnte, auch Unsinniges, ist die Widerspruchsfreiheit unerlässlich für brauchbare wissenschaftliche Theorien, logische Kalküle oder mathematische Axiomensysteme.

Ein Zusatzaxiom heißt relativ konsistent zu einer bestehenden Aussagenmenge, falls seine Hinzunahme keine neuen Widersprüche einbringt. Mit anderen Worten: ist die Aussagenmenge als konsistent vorausgesetzt, ist sie mit dem Zusatzaxiom ebenfalls konsistent.

Ferner heißen zwei Zusatzaxiome zueinander äquikonsistent bezüglich einer bestehenden Aussagenmenge, falls die Hinzunahme des einen genau dann keine neuen Widersprüche einbringt, falls es das andere auch nicht tut.

Definitionen

Man betrachtet stets einen gegebenen Kalkül mit einem Ableitbarkeitsoperator , bei dem soviel bedeutet wie: aus ist ableitbar.

Die Konsistenz (oder Widerspruchsfreiheit) wird dann sowohl für eine Formelmenge als auch für den ganzen Kalkül folgendermaßen definiert:[1]

  • Eine Formelmenge heißt konsistent im Kalkül, wenn es eine Formel gibt, für die nicht gilt. In Worten: Nicht alles kann aus abgeleitet werden.
  • Der Kalkül heißt konsistent, wenn die leere Formelmenge konsistent im Kalkül ist.
  • Eine nicht konsistente Formelmenge im Kalkül heißt inkonsistent im Kalkül.
  • Ein nicht konsistenter Kalkül heißt inkonsistent.
  • Die Formelmenge heißt konsistent relativ zu im Kalkül, falls aus der Konsistenz der Formelmenge folgt, dass auch die Vereinigung beider Formelmengen konsistent im Kalkül ist.

Diese Definitionen sind hier allgemein für beliebige Kalküle formuliert. In der klassischen Logik und in der intuitionistischen Logik kann die Konsistenz passend zum Namen widerspruchsfrei definiert werden, dadurch, dass für keine Formel gilt;[2] dies ist hier gleichwertig, denn aus der Inkonsistenz folgt die Ableitbarkeit jeder Formel, also auch aller Widersprüche der Form , und umgekehrt folgt aus jedem Widerspruch in diesen Logiken jede beliebige Formel nach der Regel ex contradictione sequitur quodlibet. Es gibt aber auch Logiken, in denen diese Regel nicht gilt, sogenannte Parakonsistente Logiken; zu ihnen passt diese Definitionsvariante nicht.

Allgemein unterteilt sich die Widerspruchsfreiheit in verschieden starke Stufen, je nachdem, welche Sprache gegeben ist. Die schwächste ist dabei die syntaktische Widerspruchsfreiheit (Post-widerspruchsfrei). Analog zur Konsistenz im Kalkül fordert diese, dass es einen Ausdruck mit , es also zumindest einen nicht-ableitbaren Ausdruck gibt. Besitzt die zu Grunde gelegte Sprache das Negationszeichen (wie in der klassischen oder der intutionistischen Logik), so lässt sich wie bereits erwähnt die klassische Widerspruchsfreiheit formulieren: es gibt einen Ausdruck , für den gilt, dass nicht gleichzeitig und (also ). Ist zudem eine Semantik vorhanden, so ergibt sich die semantische Widerspruchsfreiheit (Korrektheit des Kalküls): Aus folgt . Es impliziert schließlich die semantische Widerspruchsfreiheit die klassische Widerspruchsfreiheit, und diese wiederum die syntaktische Widerspruchsfreiheit.

Die Konsistenz eines Kalküls kann auch durch ein Modell gezeigt werden, indem die semantische Korrektheit nachgewiesen wird.

Inkonsistenzbeweise

Zur Widerspruchsfreiheit und Konsistenz gehört als Kehrseite die Inkonsistenz, die meist einfach zu zeigen ist, weil hierzu nur eine einzige Ableitung eines Widerspruchs nötig ist. Der berühmteste einfache klassische Inkonsistenzbeweis ist die Ableitung der Russellschen Antinomie in Gottlob Freges Arithmetik-Kalkül, den Bertrand Russell 1902 entdeckte.[3] Ein allgemeinerer Inkonsistenzbeweis (für klassische, intuitionistische und parakonsistente Logiken) ist die Ableitung von Currys Paradoxon 1942, bei der die relative Inkonsistenz einer selbstbezüglichen Aussage gezeigt wird.

Ein anschauliches Beispiel für eine inkonsistente Aussagenmenge ist im Rahmen der traditionellen Syllogistik formulierbar. Folgende Aussagen bilden eine widersprüchliche Aussagenmenge im Syllogistikkalkül, insbesondere sind die evidenten Aussagen (3)(4) im aktuellen Präsens nicht widerspruchsfrei relativ zu den evidenten Aussagen (1)(2) im historischen Präsens:

(1) Alle Menschen sind Lebewesen.
(2) Alle Vorfahren von Sokrates sind Menschen.
(3) Alle Vorfahren von Sokrates sind tot.
(4) Keine Toten sind Lebewesen.
Der Inkonsistenzbeweis geht über drei Ableitungsschritte:
Aus (1) und (2) folgt (5): Alle Vorfahren von Sokrates sind Lebewesen; angewandt wurde hier der Syllogismus Barbara.
Aus (4) und (5) folgt (6): Einige Vorfahren von Sokrates sind nicht tot; angewandt wurde hier der Syllogismus Cesaro.
(6) steht im Widerspruch zu (3); angewandt wurde hier die Eigenschaft kontradiktorisch.
Dieser Inkonsistenzbeweis kann mit den üblichen Formeln und Initialen für die gebrauchten Terme formalisiert werden:
Aussagenformeln: (1) MaL, (2) VaM, (3) VaT, (4) TeL, (5) VaL, (6) VoT
Formale Ableitungsschritte: MaL, VaM VaL (Barbara). TeL, VaL VoT (Cesaro). VaT, VoT VaT VaT (kontradiktorisch).

Viele populäre Antinomien und Paradoxone beziehen sich nicht auf einen Kalkül, sondern beruhen auf intuitiven, undurchsichtigen, unerlaubten Schlussweisen. Daher ist es wichtig, das logische Schließen in Kalkülen zu regeln; dann erst werden die inkonsistenten Schritte, die zu Paradoxien führen, deutlich sichtbar, beispielsweise beim Lügner-Paradoxon.

Widerspruchsfreiheitsbeweise

Das Bedürfnis nach Widerspruchsfreiheitsbeweisen trat an der Wende zum 20. Jahrhundert auf, als in der Mengenlehre Widersprüche bekannt wurden. Georg Cantor, der Begründer der Mengenlehre, entdeckte sie selbst und teilte die erste Cantorsche Antinomie 1897 David Hilbert brieflich mit.[4] 1899 gab Hilbert einen relativen Widerspruchfreiheitsbeweis der Geometrie zur Arithmetik reeller Zahlen.[5] Im Jahr darauf stellte er dann die Frage „Sind die arithmetischen Axiome widerspruchsfrei?“ als zweites seiner berühmten mathematischen Probleme.[6] Russell machte 1903 die Widerspruchsfreiheitsproblematik allgemein bewusst und entwarf zur Lösung 1903–1908 seine Typentheorie, die 1910 in die „Principia mathematica“ einging. Ernst Zermelo schuf 1907 die axiomatische Mengenlehre, die sich in der Mathematik später durchsetzte in Form der erweiterten Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ZF oder ZFC. In ihr konnten bisher keine Widersprüche mehr abgeleitet werden.

Um aber Sicherheit zu erlangen, dass grundsätzlich keine Widersprüche auftreten können, entwickelte Hilbert ab 1918 sein Programm, die Widerspruchsfreiheit der Logik zu beweisen,[7] und skizzierte Methoden für Widerspruchsfreiheitsbeweise, die anspruchsvoller sind, da für alle möglichen Ableitungen Widersprüche ausgeschlossen werden müssen.[8][9] Sein Plan wurde als Hilberts Programm bekannt und konnte für zentrale Gebiete der Logik erfolgreich umgesetzt werden:

Hilberts Programm, das sich auf finite metalogische Beweismittel beschränkte, versagte aber bei der Arithmetik und darauf aufbauenden Axiomensystemen, was Kurt Gödel in seinen Unvollständigkeitssätzen von 1930 zeigte.[13] Spätere Mathematiker modifizierten daher Hilberts Programm, indem sie die Beweismittel erweiterten (z. B. um transfinite Methoden), und erzielten damit neue Ergebnisse:

Neue, von Hilberts Programm abweichende Wege beschritten vorher schon Neumann und Zermelo bei ihrer Einführung der heute etablierten ZF-Mengenkalküle (Neumanns Vorform der Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre). Sie bildeten innerhalb der Mengenlehre Modelle der Mengenlehre und nutzten dies für Widerspruchsfreiheitsbeweise:

  • Die Konsistenz des Fundierungsaxioms relativ zu ZF ohne Fundierungsaxiom wurde 1929 von John von Neumann durch ein Modell gezeigt[17]
  • Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre (ZFC ohne Unendlichkeitsaxiom) wurde 1930 von Ernst Zermelo gezeigt mit einem Modell in ZFC, ebenso die Widerspruchsfreiheit von ZFC in einer Meta-Mengenlehre mit stark unerreichbaren Kardinalzahlen.[18]

Wegen Gödels Unvollständigkeitssätzen ist aber die Widerspruchsfreiheit der ZF-Mengenlehre ohne wesentlich stärkere Meta-Axiome nicht beweisbar. Deshalb bleibt im Rahmen der üblichen Mengenlehre ZF die Frage nach ihrer eigenen Widerspruchsfreiheit unentscheidbar. Gödel ging von ihr aus und konnte damit einen relativen Konsistenzbeweis für umstrittene Zusatzaxiome zu ZF führen:

Weblinks

Peter H. Starke: Logische Grundlagen der Informatik. Vorlesungsskript Oktober 2000

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hilbert/Ackermann: Grundzüge der theoretischen Logik, Berlin, Heidelberg, 6. Auflage, 1972, S. 99
  2. Hilbert/Ackermann: Grundzüge der theoretischen Logik, Berlin, Heidelberg, 1. Auflage 1928 bis zur 3. Auflage 1949, dort S. 31
  3. Russells Brief an Frege vom 16. Juni 1902. In: Gottlob Frege: Briefwechsel mit D.Hilbert, E. Husserl, B. Russell, Hrsg. G. Gabriel, F. Kambartel, C. Thiel, Hamburg 1980, S. 59f eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. Brief von Cantor an Hilbert vom 26. September 1897, in: Georg Cantor, Briefe, Hrsg. H. Meschkowski und W. Nilson, Berlin, Heidelberg, New York 1999, S. 388
  5. David Hilbert: Grundlagen der Geometrie, 1. Auflage, Leipzig 1899. 14. Auflage, hrsg. von Michael Toepell, Teubner, Leipzig 1999.
  6. David Hilbert: Mathematische Probleme, 1900, in: Archiv für Mathematik und Physik, 3. Reihe, Band I (1901), S. 44–63, 213–237
  7. David Hilbert: Axiomatisches Denken, 1918, in: Mathematische Annalen 78 (1918), S. 405–415
  8. David Hilbert: Neubegründung der Mathematik, 1922, in: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburger Universität, Band I (1922), S. 157–177
  9. David Hilbert: Die logischen Grundlagen der Mathematik, 1922, in: Mathematische Annalen 88 (1923), S. 151–165
  10. Paul Bernays: Axiomatische Untersuchung des Aussagenkalkuls der „Principia Mathematica“, Habilitationsschrift Göttingen 1918, gekürzt abgedruckt in: Mathematische Zeitschrift 25 (1926), S. 305–320
  11. Emil Leon Post: Introduction to a General Theory of Elementary Propositions In: American Journal of Mathematics. Band 43, 1921, S. 163–185.
  12. John von Neumann: Zur Hilbertschen Beweistheorie, 1925, In: Mathematische Zeitschrift 26 (1927), S. 1–46
  13. Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme, 1930, In: Monatshefte für Mathematik und Physik 38 (1931), S. 173–198
  14. Gerhard Genzten: Die Widerspruchsfreiheit der reinen Zahlentheorie In: Mathematische Annalen. 112 (1936), S. 493–565
  15. Wilhelm Ackermann: Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre, 1936, In: Mathematische Annalen. 114 (1937), S. 305–315.
  16. Paul Lorenzen: Die Widerspruchsfreiheit der klassischen Analysis. In: Mathematische Zeitschrift. 54 (1951) S. 1–24
  17. John von Neumann: Über eine Widerspruchsfreiheitsfrage in der axiomatischen Mengenlehre In: Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelle) 160 (1929), S. 227–241
  18. Ernst Zermelo: Grenzzahlen und Mengenbereiche, in: Fundamenta Mathematicae 16 (1930), S. 29–47
  19. Kurt Gödel: The Consistency of the Axiom of Choice and of the Generalized Continuum-Hypothesis. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 24, Nr. 12, Dezember 1938, ISSN 0027-8424, S. 556–557, doi:10.1073/pnas.24.12.556, PMID 16577857, PMC 1077160 (freier Volltext) – (pnas.org [abgerufen am 9. Juni 2022]).